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Was Sie bei der Reinraumkleidung beachten müssen

Die Arbeitskleidung des Personals kann maßgeblich dazu beitragen, die Reinheit der Produktionsumgebung zu gewährleisten. Bei der Sicherstellung der Luftreinheitsklasse im Reinraum kommt es daher vor allem auf die passende Reinraumkleidung, aber auch auf das Verhalten des Personals, an.

Zum korrekten Verhalten im Reinraum gehören viele Facetten. Eine oft unterschätzte, ist das richtige Anlegen der Reinraumkleidung. Vielleicht ist ein Grund, warum man gerade hierbei häufig ein Fehlverhalten feststellen kann, dass es als Selbstverständlichkeit oder Banalität angesehen wird. Beides ist nicht der Fall.

Im vorliegenden Blogbeitrag gehen wir den Fragen nach, welche Bedeutung der Reinraumkleidung zukommt, welche Funktionen sie idealerweise erfüllt, welche Vor- und Nachteile Einweg- bzw. Mehrwegbekleidungen mit sich bringen und wie sie korrekt angelegt wird.

Die Reinraumkleidung dient dem Schutz des Prozesses und Produktes vor Kontamination durch die darin arbeitenden Personen. Sie besteht aus

  • Haarnetz/Haube
  • Schutzbrillen
  • Mundschutz/Bartschutz
  • Überziehschuhe/ Reinraumschuhe
  • Overall/ Mantel
  • Handschuhe

Je besser die Luftreinheitsklassen der ISO, desto höher sind die Anforderungen hinsichtlich des Abschlusses zwischen Körper und Schutzkleidung. Insbesondere im Gesichtsbereich (Mund- und Bartschutz, Schutzbrille), an den Händen (Handschuhe) und Füßen (Reinraumschuhe) muss dann weitere Reinraumkleidung getragen werden.

Damit der Eintritts- und Austrittsprozess in die reine Umgebung „sauber“ ablaufen kann, ist eine klare Verfahrensweise für das Personal festzulegen.

Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten der Nutzung von Reinraumkleidung (z. B. Einweg- oder Mehrwegkleidung) ist jeder reine Fertigungsbereich entsprechend den individuellen Anforderungen und Gegebenheiten separat zu betrachten.

Die Reihenfolge beim Anlegen der Kleidung

Beim Anlegen der Reinraum-Kleidung ist die Reihenfolge von entscheidender Bedeutung. Aufgrund der besonderen Luftführung erfolgt das Anlegen „von oben nach unten.“ Würde beispielsweise der Overall angelegt werden, bevor die Vlieshaube angezogen wird, kann dieser durch herabfallende Haare oder Schuppen kontaminiert werden.

  1. Aufsetzen von Haube/Haarnetz.
    Dabei ist darauf zu achten, dass alle Haare von der Haube oder dem Haarnetz verdeckt sind.
  1. Anlegen des Mundschutzes
    Insbesondere Bartträger müssen einen Mundschutz oder Bartschutz tragen.
  1. Anlegen des Overalls
    Der Overall ist anzulegen und vollständig zu schließen. Dabei ist besonders darauf zu achten, dass der Overall nicht mit Außenflächen oder dem Boden in Berührung gelangt. Wird ein Mantel getragen ist zudem darauf zu achten, dass die Unterbekleidung in den Hosenbund gesteckt ist. Ansonsten können so Körperhaare und Schuppen in den Reinraum gelangen.
  1. Anziehen der Reinraumschuhe
    Die Schuhe dürfen nicht auf demselben Fleck gewechselt werden. Es empfiehlt sich die die Straßenschuhe auf der "unreinen" Seite einer Übersteigebank auszuziehen und anschließend die Beine auf die andere Seite zu schwingen und dort die Reinraumschuhe überzuziehen. Werden Überziehschuhe verwendet so sind diese vor dem „Überschwung“ anzulegen.

  2. Anlegen von Handschuhen
    Die Handschuhe sind stets über den Armbündchen zu tragen. Beim Anziehen des ersten Handschuhes sollte dieser so wenig wie möglich an der Außenseite berührt werden. Sind die Handschuhe angelegt, darf nur noch die Reinraumkleidung damit berührt werden.

Um den korrekten Sitz der Kleidung zu prüfen, sollte in den Personalschleusen ein Spiegel angebracht sein. Das Personal kann so einen prüfenden Blick auf sich werfen, bevor es den Reinraum betritt.

Das Ablegen der Reinraumkleidung erfolgt in genau umgekehrter Reihenfolge „von unten nach oben“.

Kaputte Reinraum-Kleidung (z.B. Risse) ist selbstverständlich zu entsorgen bzw. fachmännisch zu reparieren. Die Tragezyklen und planmäßige Entsorgung sind fest zu regeln.
Durch eine sorgfältige Umsetzung und Beachtung der individuell erarbeiteten Regeln kann das wesentlich zur Sicherstellung der gewünschten Reinheitsqualität des Raums beitragen werden. Regelmäßige Schulungen und Kontrollen von Mitarbeitern sind jedoch unerlässlich, um ein konstant hohes Fertigungsniveau aufrecht zu erhalten.

Das korrekte Anlegen der Reinraumkleidung ist nur ein kleiner, wenn auch wichtiger, Faktor, um die gewünschte reine Umgebung zu gewährleisten. Zum Verhalten in der reinen Umgebung empfehlen wir unser gleichnamiges Whitepaper.

Verhalten Reinraumtechnik

Der Faktor Mensch ist leider einer der Hauptursachen für die Verunreinigung der reinen Arbeitsumgebung. Menschliche Partikel wie Staub, Hautteilchen oder Haare tragen bis zu 40 Prozent zur Verunreinigung bei. Wird das Reinraumpersonal nicht mit entsprechender Arbeitskleidung ausgestattet, können diese Partikel ungehindert in den Reinraum gelangen und so zu Kontaminationen des Raums führen. Daher ist die richtige Reinraumbekleidung das A und O, um den Reinraum vor solch unnötigen Verunreinigungen zu schützen und die Prozess- und Produktqualität sicherzustellen. 

Bedeutung der Kleiderordnung im Reinraum

Unter Reinraumkleidung versteht man generell sämtliche Arbeitskleidung, die an die speziellen Anforderungen des Arbeitens im Reinraum angepasst ist. Diese unterliegt dabei, aufgrund der besonderen Prozess- und Produktionsspezifika und den Vorgaben hinsichtlich der Luftreinheitsklasse des Reinraums nach ISO-Norm, deutlich höheren Anforderungen als normale Berufsbekleidung. Je nach vorgesehenem Einsatzzweck und Arbeitsprozessen können sich aber auch die Anforderungen der verschiedenen Reinraumbekleidungen untereinander unterscheiden.

Der Reinraumbekleidung kommt also eine besondere Bedeutung zu. Einerseits bietet die richtige Arbeitskleidung im Reinraum Schutz der Produkte und Prozesse vor Kontaminationen durch das Personal, andererseits kann aber auch die Reinraumbekleidung selbst zu einer möglichen Partikelfreisetzung und damit Verunreinigung beitragen. Ist die Kleidung beispielsweise alt oder porös, können sich auch hier Partikel vom Material lösen und in die reine Umgebung gelangen. Aber auch Reinraumkleidung minderer Qualität kann einen bedeutenden Faktor bei der Verunreinigung des Raums darstellen. 

Die Reinraumkleidung erfüllt im Idealfall folgende Funktionen

  • Filter zwischen Partikelquelle Mensch und Reinraum: Die Reinraumbekleidung erfüllt in erster Linie eine Art Filterfunktion zwischen dem Personal, und den damit einhergehenden Partikelfreisetzungen, und dem entsprechenden Reinraum. Das sog. Partikelrückhaltevermögen der Arbeitskleidung hängt v.a. von der Beschaffenheit und Porosität des Materials ab. Mit diesen Eigenschaften der Bekleidung gehen sowohl positive als auch negative Effekte einher. Je niedriger die Porosität des Gewebes ist, umso besser ist das Partikelrückhaltevermögen. Allerdings bedingt ein hohes Partikelrückhaltevermögen, welches meist auf dichteres Gewebe zurückzuführen ist, gleichzeitig oft einen niedrigeren Tragekomfort.
  • Partikelmigration: Beim Tragen der Reinraumkleidung kommt es zu Reibungen zwischen der Körperoberfläche des Mitarbeiters und der Innenseite der Arbeitskleidung. Durch die Reibung kann es vorkommen, dass Partikel und Fasern mechanisch freigesetzt und so durch die Textilien hindurch an die Umgebung des Reinraums abgegeben werden können. Hochwertiges Reinraumgewebe hält eventuell freigesetzte Partikel und Fasern zurück, so dass diese beim Tragen nicht in die reine Umgebung abgegeben werden.
  • Abriebfestigkeit: Auch die Außenseite der Arbeitskleidung kann zu einer zusätzlichen Partikel- und Faserkontamination des Reinraums führen. Bei jedem Tragen können auch hier Partikel an den Reinraum abgegeben werden. Daher kommt der Abriebfestigkeit des Gewebes eine besondere Bedeutung zu. Ist diese gering, kann durch mehrmalige Nutzung der Arbeitskleidung bereits nach wenigen Tagen der Abrieb der Kleidung die Luftreinheitsqualität des Raums maßgeblich beeinträchtigen. Gewebe aus rein synthetischen Fasern (z.B. Polyester) sind für die Reinraumkleidung aufgrund höherer Abriebfestigkeit deutlich besser geeignet, als Mischgewebe mit Baumwollanteil.
  • Elektrostatik: Bieten synthetische Fasern zwar einen besseren Schutz vor unnötigem Abrieb des Gewebes, gehen diese allerdings mit einem anderen negativen Effekt einher: der Elektrostatik. So können bereits Bewegungsabläufe mit normaler Bewegungsintensität zu elektrostatischen Aufladungen führen, welche wie ein Magnet auf umherschwirrende Partikel wirken können. Die angesammelten Partikel können beispielsweise durch laminare Strömungen wiederum auf die hochempfindlichen Produkte und Maschinen gelangen und so zu Kontaminationen beitragen. Aus diesem Grund sind die meisten Reinraumbekleidungen antistatisch ausgestattet.
  • Tragekomfort: Neben dem Schutz der reinen Umgebung vor ungewollten Verunreinigungen, ist auch der Tragekomfort der Kleidung für das Personal ein bedeutender Faktor bei der Wahl der Reinraumbekleidung. Ein qualitativ hochwertiger Tragekomfort erhöht die Mitarbeiterakzeptanz die Schutzkleidung zu tragen, wohingegen ein niedriger Tragekomfort zu sinkender Mitarbeitermotivation führen kann.
  • Dekontaminierbarkeit: Wird Mehrweg-Bekleidung genutzt, muss diese nach jedem Tragezyklus fachmännisch gereinigt und dekontaminiert werden. Nur durch eine wirkungsvolle Dekontaminierung der Reinraumbekleidung, kann gewährleistet werden, dass keine Verunreinigungen aus dem vorherigen Tragezyklus weitergereicht werden. Neben dem Textilgewebe selbst, hat auch die jeweilige Verarbeitung des Textils einen großen Einfluss auf die Dekontaminierbarkeit durch die Reinigung. So sind Reinraumbekleidungen mit vielen Taschen oder Verschlüssen nicht zu empfehlen, da diese die Dekontaminierbarkeit wesentlich erschweren. Aber auch Mehrweg-Reinraumkleidung kann nicht unendlich oft gereinigt werden. Nach einer gewissen Anzahl an Tragezyklen sollte die Reinraumbekleidung durch neue Textilien ausgetauscht werden, da die häufiger genutzten Kleidungsstücke mit der Zeit höheren Faserbruch aufweisen und somit ein möglichst optimaler Schutz der Reinraumumgebung nicht mehr gewährleistet werden kann.

Bleibt die Frage: Einweg- oder Mehrweg?

Reinraumkleidung wird in zwei Alternativen auf dem Markt angeboten. Entweder als Einweg- und als Mehrweg-System.

Im Falle der Einwegbekleidung werden die Textilien sofort nach der Produktion partikelarm verpackt und dem jeweiligen Empfänger zur Verwendung bereitgestellt. Wie der Name schon verrät, wird die Einwegbekleidung nach dem einmaligen Tragen entsorgt und beim nächsten Eintritt in den Reinraum neue Bekleidung angelegt.

Mehrwegbekleidung kann mehrere Tragezyklen überstehen, bevor diese fachmännisch entsorgt wird. Sie wird insgesamt aufwendiger gefertigt als Einwegbekleidungen und kann bis zu 150 mal wiederverwendet werden. Bei Mehrwegbekleidungen ist der Dekontaminationsprozess für die Erhaltung der Reinheitsqualität des Raums entscheidend. Nach dem Tragen der Reinraumbekleidung wird diese im Dekontaminationsprozess gewaschen und von möglichen Partikeln befreit. Im Anschluss an die Reinigung wird die Mehrwegbekleidung partikelarm verpackt und zur erneuten Nutzung bereitgestellt.

160929-Reinraumkleidung-Blog.pngEinwegbekleidung ist oftmals eine notwendige Ergänzung zur textilen Reinraumbekleidung; je nach Anforderungen müssen verschiedene Ausführungen und Qualitäten berücksichtigt werden (z. B. Antistatik). Durch den sinnvollen Einsatz verschiedener Komponenten gegebenenfalls auch mit Mehrwegbekleidung kann eine Kontaminationsreduzierung bewirkt werden.

Die richtige Reinraumbekleidung, sowie das richtige Anlegen dieser, trägt also einen bedeutenden Beitrag zur Erhaltung der Luftreinheitsqualität des Reinraums bei. Nicht nur wird der Reinraum durch die passende Arbeitsbekleidung deutlich vor Kontaminationen bewahrt, auch das Personal wird entsprechend durch die Kleidung geschützt. Dabei muss die Reinraumkleidung verschiedenste Funktionen erfüllen, um den besonderen Gegebenheiten des Reinraums gerecht zu werden. 

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