Reinraum-Blog zu partikelfreien Gegebenheiten

Rein- bzw. Sauberräume als Garant der technischen Sauberkeit

Geschrieben von Joachim Ludwig | 7.3.2019

 

Der Begriff „Technische Sauberkeit“ hat seinen Ursprung in den ständig wachsenden Anforderungen an die Herstellungsbedingungen in der Automobilindustrie. Die zumeist mittelständischen Zuliefererbetriebe können sich beim Thema Partikelreinheit heute nicht mehr nur auf hauseigene Prüf- und Kontrollverfahren verlassen. Es gelten die Richtlinien VDA19 und deren internationales Pendant, die Richtlinie ISO 16232.

Definition: Technische Sauberkeit/Bauteilsauberkeit

Ein Bauteil gilt als technisch sauber, wenn die sich darauf befindlichen Restpartikel die korrekte Funktionsweise des Bauteils bzw. der Baugruppe nicht beeinträchtigen oder sogar verhindern.

Zur Bestimmung des Grads der technischen Sauberkeit existieren je nach Anwendungsfeld, je nach Bauteil, fixe Richtwerte, die nicht oder nur in bestimmten prozentualen Grenzen überschritten werden dürfen.

Ab wann ein Bauteil als zu verschmutzt eingestuft wird, hängt dabei nicht nur von der Partikeldichte ab, sondern beispielsweise auch von deren elektrischer Leitfähigkeit. Metallische Partikel können in der Elektronikfertigung zu Kurzschlüssen führen und das korrekte Bestücken von Leiterplatinen verhindern.

Eine Methode, dieses Risiko bereits im Vorfeld deutlich zu minimieren ist die Fertigung im Reinraum bzw. in reinen Bereichen oder lokalen Sauberkeitsbereichen.

Problemstellungen bei der Einhaltung der technischen Sauberkeit

Die Einhaltung der technischen Sauberkeit ist ein Fachgebiet, das noch keinen expliziten Lehrinhalt darstellt. Sie werden also nur sehr schwer eine Fachkraft zu diesem Thema finden, der nicht direkt aus der Anwendungspraxis kommt. Trotz bereits bestehender Richtlinien ist also zur Zeit vor allem individuelles Fachwissen vorhanden, das stark an den jeweiligen Anwendungsfall gebunden ist.

Die grundsätzlichen Fragestellungen bei der Festlegung des Grads der technischen Sauberkeit sind zunächst aber immer dieselben:

  • Ist die entstehende Partikeldichte tolerierbar?
  • Muss der Fertigungsprozess in Bezug auf die technische Sauberkeit optimiert werden?
  • Sollen/müssen die entstehenden Partikel direkt am Entstehungsort beseitigt werden?
  • Soll die Entfernung der unerwünschten Partikel am Ende des Fertigungsprozesses erfolgen?

Unabhängig davon, welche Methode gewählt wird, bleibt ein gewisses Kontaminationsrisiko immer bestehen, sei es bei der Zusammenführung von Baugruppen oder durch einen unsachgemäßen Transport, falsche Lagerung oder Verpackung. Die Risiken sind vielfältig und lassen sich oft nur durch eine konsequente Betrachtung der gesamten Prozesskette beherrschen. Oftmals wird vorgeschlagen, diese Risiken durch die Fertigung in Reinräumen zu beseitigen. Dabei wird vergessen, daß Reinräume zwar einerseits notwendig sind, andererseits ihr Nutzen nicht zur Geltung kommt, wenn beispielsweise die im Reinraum zu montierenden Bauteile verschmutzt angeliefert oder auch andererseits der Reinraum nicht als Reinraum „gelebt“ wird. Wenn z.B. kein Reinraumregime festgelegt, geschweige denn überwacht und durchgesetzt wird, wenn das Personal nicht geschult ist, keine regelmäßigen Reinigungen vorgenommen und andere notwendige Maßnahmen nicht durchgeführt werden.

Kontaminationsrisiken durch Partikel und Fasern

Laut VDA19 sind Partikel Festkörper, beispielsweise:

  • Metalle
  • Mineralien
  • Kunststoffe
  • Salze
  • usw.

Nicht zu den Partikeln gezählt werden pastöse Stoffe.

Vor allem in der Elektronikfertigung muß zudem zwischen metallischen und nichtmetallischen Partikeln unterschieden werden. Für beide Arten gelten aufgrund des unterschiedlichen Risikos auch verschiedene Richtwerte.

Eine eigne Kategorie bilden Fasern. Sie zeichnen sich durch einen zumeist organischen Ursprung aus und durch eine längliche Struktur.

Risikofaktor Mensch

Zu den typischen Kontaminationsrisiken durch das Personal zählen:

  • Organische Fasern (Wolle, Baumwolle)
  • Synthetisch organische Fasern (Polyester, Polyamid)
  • Mikroorganismen in Form von Pilzen und Bakterien
  • Hautschuppen bis zu mehreren Millimetern Größe

Darüber hinaus besteht immer die Gefahr einer Kontamination durch unsachgemäße Handhabung der Schutzkleidung oder durch das unbedachte Ablegen von Bauteilen auf kontaminierte Flächen usw.

Bei der Fertigung und Zusammenstellung besonders sensibler Baugruppen ist daher eine konsequente Verwendung von Reinräumen unter einer ebenso konsequenten Durchsetzung des Reinraumregimes sehr empfehlenswert. Dabei kommt man immer wieder an den Punkt der Analyse seiner Prozesse um nicht nur im Reinraum, sondern auch in vor- und nachgelagerten Prozeßschritten die durchgängige Reinheit seiner Produkte nicht zu gefährden.

Auf welche Weise können Partikel die Funktion eines Bauteils beeinträchtigen?

Die Art des Risikos einer Kontamination hängt vor allem vom Zweck und von Beschaffenheit des jeweiligen Bauteils ab. Bei mechanischen Bauteilen, wie Ventilen, Leitungen usw. kann es beispielsweise zu den folgenden Beeinträchtigungen kommen:

  • Eine Veränderung der Reibung
  • Mechanische Blockaden
  • Eine Veränderung der wirkenden Kräfte
  • Eine Verkürzung von Luft- oder Kriechstrecken
  • Lecks und andere Undichtigkeiten
  • Die Störung optischer Systeme (Lichtleiter, Optiken usw.)

Bei elektronischen Bauteilen sind die möglichen Risiken etwas anders gelagert. Vor allem metallische Partikel können hier zu Funktionsstörungen führen, wie beispielsweise:

  • Elektrische Kurzschlüsse
  • Eine Beeinträchtigung der Leitfähigkeit
  • Eine elektrische Isolation der Kontakte
  • Eine verminderte Benetzbarkeit z. B. von Lötpunkten

Zur Überprüfung der Bauteilsauberkeit werden verschiedene Verfahren angewandt. Dabei können beispielsweise größere Partikel bereits über eine lichtmikroskopische Sichtprüfung erkannt werden. Deutlich aufwendiger sind die Verfahren, die im Zuge einer sogenannten Extraktion durchgeführt werden.

Unter „Extraktion“ versteht man ein Verfahren, bei dem mittels Prüfflüssigkeiten Proben von einem Bauteil gewonnen und im Anschluss analysiert werden. Diese Proben werden maßgeblich über mechanische Prozesse gewonnen, also durch:

  • Schütteln
  • Spülen
  • Spritzen
  • Ultraschallbäder

Die auf diese Art gewonnenen Proben werden zunächst getrocknet und im Anschluss wird durch präzises Auswiegen die reine Partikelmasse ermittelt.

Bauteile, deren Fertigung der ISO 16323 oder der VDA19 unterliegt werden in der Regel zu verschiedenen relevanten Zeitpunkten hinsichtlich ihrer technischen Sauberkeit überprüft. Dazu zählen:

  • Routineprüfungen
  • Prüfungen bei Änderung der Fertigungsprozesse
  • Prüfungen am Ende der Fertigung

Rein- oder Sauberräume minimieren das Kontaminationsrisiko

Damit Sie als Zulieferer-Unternehmen bei der Fertigung sensibler Komponenten immer auf der sicheren Seite bleiben und die notwendigen und geforderten Prüfprozesse auf ein Minimum reduzieren können, empfehlen wir Ihnen die konsequente Nutzung von Rein- oder Sauberräumen.

Bedenken Sie aber, dass der beste Reinraum nichts nützt, wenn Fehler in der Prozesskette auftreten, die auch ein Reinraum nicht mehr ausmerzen kann. Ein Rein- oder Sauberraum ist richtig und wichtig, um die darin ablaufenden Prozesse zu schützen, aber kein Garant dafür, alle anderen notwendigen Sauberkeitsmaßnahmen vernachlässigen zu können

COLANDIS ist auf die Anforderungen mittelständischer Unternehmen spezialisiert und berät Sie in allen Angelegenheiten zum Thema Partikelfreiheit sehr gerne. Wir betrachten Ihre Prozesskette im Ganzen und legen mit Ihnen gemeinsam die notwendigen Maßnahmen fest, die Ihrem Produkt eine hohe Qualität sichern. Eine der möglichen Lösungen kann ein Rein- oder Sauberraum sein, muss aber nicht.

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